Verhältnismäßigkeit

Mehrfach stieß ich in den letzten Wochen auf diesen Artikel:

Ein Mathematik-Professor schrieb folgendes an die Tafel:
9x 1= 9
9x 2=18
9x 3=27
9x 4=36
9x 5=45
9x 6=54
9x 7=63
9x 8=72
9x 9=81
9×10=91
Erst leises Gekicher, dann lachten viele der StudentInnen los, weil der Professor sich offensichtlich verrechnet hatte.
10×9 = 91!
Irgendwann lachte der ganze Raum. Der Professor wartete, bis alle wieder still waren. Dann sagte er: „Ich habe diesen Fehler absichtlich gemacht, um etwas zu demonstrieren. Ich habe neun Aufgaben richtig gelöst und nur einen Fehler gemacht. Statt mir zu gratulieren, dass ich neun von zehn Aufgaben richtig gelöst habe, haben alle über meinen einen Fehler gelacht.
Wir leben eine Fehlerkultur, die dazu führt, dass Menschen verletzt und teils sogar gedemütigt werden, nur, weil sie sich mal irren. Die meisten machen viel mehr richtig, als falsch.“ Damit nahm er seine Unterlagen und verliess den Saal. Es blieb noch lange recht still nach diesen Worten. Die meisten StudentInnen nickten und sprachen leise über das eben Gehörte. Und nicht wenige von Ihnen haben verstanden, dass die Lektion, die sie gerade gelernt haben, viel wichtiger war, als das Ergebnis von 10×9.

Der Artikel bekam viel Aufmerksamkeit und, wie mir schien, auch viel Zuspruch. Mir scheint jedoch, dass viele ‚Liker‘ nicht so differenziert darüber nachdenken. Natürlich erwartet man von einem Professor, dass er diese Aufgaben alle richtig beantwortet. Andererseits lacht vermutlich auch keiner, wenn der beschriebene Fehler einem Sechsjährigen passiert, sondern bringt diesem die entsprechende Bewunderung. Wie so oft kommt es auch hier immer auch auf die Umstände und die Verhältnismäßigkeit an.